Georg Toepfer
Historisches Wörterbuch der Biologie, Rezension

ETHICA: Wissenschaft und Verantwortung 20 (1) (2012), S. 89-91

Besprechung von Andreas Resch

Dr. Gerog Toepfer, Biologe und Philosoph, Dozent an der Humboldt-Universität zu Berlin und Mitarbeiter des Berliner Sonderbereiches "Transformationen der Antike", legt hier ein dreibändiges Wörterbuch zur Geschichte und Theorie der biologischen Grundbegriffe vor, das in jahrelanger Arbeit von ihm selbst verfasst wurde. Wie der Titel besagt, handelt es sich dabei nicht um ein Lexikon biologischer Begriffe, sondern um den Versuch, aus den historischen Entwicklungen eine systematische Lehre der Biologie zu ziehen. Dabei bedient sich der Autor vor allem der in den letzten Jahren entstandenen digitalen Verfügbarkeit der wissenschaftlichen Literatur, die auch eine Transparenz in die Geschichte der Wörter gebracht hat, wie sie vor wenigen Jahren noch undenkbar war. So lässt sich inzwischen für jedes Wort der Wissenschaftssprachen die Erstverwendung ermitteln, was dem Ziel des Lexikons, die Geschichte der zentralen Beschreibungs- und Erklärungsbegriffe der Biologie genau zu dokumentieren und in ihrer theoretischen Rolle zu diskutieren, einen unabdingbaren Dienst erweist. Geht es beim Wörterbuch nach Toepfer doch um die Darstellung der Geschichte der biologischen Ideen, Konzepte und Theorien, ausgehend von der Geschichte der Wörter, um ein dreifaches Ziel zu erreichen: Das Wörterbuch dient, erstens, der überblicksmäßigen Information über Herkunft und Entwicklung grundlegender Begriffe einer Disziplin. Zweitens übersteigt es eine bloße Auflistung der Wortnachweise, indem sich die Darstellung vom jeweiligen Kontext der Wortverwendung löst und auf diese Weise langfristige Veränderungen nicht nur in den Wortbedeutungen, sondern auch in den Begriffskonstellationen und Theoriestrukturen aufdeckt. Drittens kann es zur semantischen Kontrolle des gegenwärtigen Sprachgebrauchs herangezogen werden.

Die Begriffsgeschichte verfolgt also einen atomisierenden Ansatz, indem sie von Begriffen als isolierten Theorieelementen ausgeht und die Momente der Begriffsprägung sowie einschneidende Bedeutungsänderungen hervorhebt. Ein solcher Einschnitt wird etwa in der Etablierung der Evolutionstheorie seit Mitte des 19. Jahrhunderts gesehen, der oft sogar als "Revolution" in der Biologiegeschichte bezeichnet wird, die Toepfer zufolge beim Bild einer langfristigen begrifflichen und theoretischen Kontinuität in der Biologiegeschichte nur von geringer Bedeutung ist.

Zur Veranschaulichung des geschichtlichen Hintergrundes der Prägung der Begriffe, ihrer Häufigkeit der Verwendung und des sprachlichen Ursprungs gibt Toepfer einen Überblick über die 112 Grundbegriffe, die die Haupteinträge des Wörterbuches bilden. Dabei bleibt in der Biologie bis heute unklar, welches die Grundbegriffe dieser Wissenschaft sind und was darunter genau verstanden werden soll, zumal eine einmal gefundene griffige Definition eines Begriffes nicht selten durch eine ebenso griffige andere Bestimmung relativiert wird. Daher war es auch nicht das Ziel des Wörterbuchs, die erste Verwendung und Geschichte vieler Begriffe zu klären, sondern die theoretisch wichtigsten Begriffe zu beleuchten.

Diese hier kurz skizzierte Einleitung schließt mit einem Quellenhinweis, einem Artikelverzeichnis, einem Wortverzeichnis, wo der Name und die Jahrzahl hinter jedem Eintrag angeben, wer das Wort oder den längeren Ausdruck in welchem Jahr in einem der heutigen Bedeutung ähnlichen Sinn zuerst verwendet hat, gefolgt von einem Abbildungsverzeichnis und einem Tabellenverzeichnis. Damit sind alle Voraussetzungen gegeben, um mit der Darstellung der einzelnen Begriffe zu beginnen.

Da es hier nicht möglich ist, auf alle Begriffe einzugehen, soll gleich der erste angeführte Begriff, nämlich Analogie, stellvertretend für alle anderen zusammengefasst werden.

Der Ausdruck geht über das lateinische analogia auf das griechische analogía (Verhältnis, Ähnlichkeit) zurück. Das Wort findet sich schon bei antiken Autoren in einer besonderen biologischen Bedeutung. Aristoteles verwendet den Ausdruck für Ähnlichkeiten bei Organismen. Er grenzt dabei die Ähnlichkeit, die er als analog bezeichnet, klar von der Ähnlichkeit der Form ab. So müssen sich analoge Körperteile morphologisch nicht ähneln.

Trotz dieses richtungweisenden Wortgebrauchs bei Aristoteles wird das Wort "Analogie" bis zum Beginn des 19. Jahrhunderts innerhalb der Biologie in nichtterminologischer Weise im Sinne von "Ähnlichkeit, Entsprechung" verwendet. Deutlich herausgearbeitet wird die Unterscheidung jedoch von I. Kant und C. Girtaner.

Anfang des 19. Jhs. wird die Unterscheidung durch die Worte Analogie und Affinität markiert, gefolgt von der Gegenüberstellung von Analogie als Funktion und Homologie als Form. Darwin verbindet Analogie mit der Selektionstheorie und Homologie mit der Deszendenztheorie.

Heute werden hingegen nur solche Merkmale als analog bezeichnet, die nicht denselben Bestandteil des Bauplanes verkörpern. Analog sind z. B. die Kiemen der Fische und Muscheln, nicht aber die Kiemen der Fische und Amphiben.

Unter diesem Gesichtspunkt können alle biologischen Disziplinen, die nicht phylogenetisch orientiert sind, sondern funktionale Analogien untersuchen, zu einer Analogiebiologie zusammengefasst werden. Dementsprechend wird die Analogielehre auch als "funktionelle Anatomie" einer Homologielehre als "genetische Anatomie" gegenübergestellt. 91 Nachweise und ein kurzes Literaturverzeichnis beschließen den Beitrag.

Dabei gehört "Analogie" dem Umfang nach zu den kürzeren Beiträgen. "Biologie" z.B. umfasst 41 Seiten mit 322 Nachweisen und der Begriff "Leben" sogar 63 Seiten mit 502 Nachweisen. Die Beiträge werden also nicht nach einem fixen Muster, sondern nach der Gewichtung des Inhalts behandelt. Eine solche Dynamik ist vorwiegend dann möglich, wenn ein einziger Autor der Verfasser ist, weil sonst mit einem formellen Raster gearbeitet werden muss, um die Beiträge koordinieren zu können. Diese eine Autorschaft findet in allen Beiträgen ihren prägenden Niederschlag sowohl in Form als auch in Inhalt und Argumentation, was den Fluss der Lektüre und das Verständnis fördert.

Was die Beurteilung aller drei Bände betrifft, so sind diese grundsätzlich als einmalig zu bezeichnen. Hier liegt das erste Lexikon der Geschichte und Theorie der biologischen Grundbegriffe vor, und zwar in einer Aufbereitung, die jeden Begriff zu einem kleinen Geschichtswerk verschiedener historischer Zusammenhänge werden lässt. Während die einen Begriffe ihre Wurzeln in der Antike haben, geht beispielsweise der Begriff "Koexistenz" auf das Jahr 1953 zurück.

Wie schon erwähnt, wird in einem Wortverzeichnis von 25 Seiten hinter jedem Wort der Name dessen angegeben, der das Wort in der heutigen biologischen Bedeutung zuerst verwendet hat, gefolgt von der Angabe der Jahrzahl und dem Stellenhinweis im Lexikon, was einem Sachregister gleichkommt. Man muss das Verzeichnis allerdings, wie das Abbildungs- und Tabellenverzeichnis, im ersten Band suchen, was anders auch nicht sinnvoll wäre, bilden die drei Bände doch eine Einheit.

Das Lexikon ist nicht nur für Fachexperten in Biologie von Bedeutung, sondern bietet jedem, der sich für das Leben von Pflanze, Tier und Mensch interessiert, eine sichere historische Informationsquelle.

Schließlich ist dem Autor selbst höchste Anerkennung auszusprechen, denn die gebotene Leistung ist nur durch letzten Einsatz und ein umfassendes biologisches, historisches und philosophisches Wissen zu bewältigen. Dass der Verlag Metzler eine entsprechende Gestaltung der Bände besorgte, entspricht der Qualität seiner Lexika. Autor und Verlag sei, wie gesagt, gedankt.

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